Prof. Dr. phil. (EM) Gert Pinkernell ist am 23.01.2017 im Alter von 79 Jahren verstorben.
Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der FU Berlin wurde Gert Pinkernell Assistent bei dem Romanisten Klaus Heitmann – zunächst an der Technischen Universität Berlin, dann an der Universität Marburg, wo er 1969 promovierte. Er habilitierte sich 1974 an der Universität Heidelberg, wo er – nach einer einjährigen Vertretung einer Professur in Marburg – zum Universitätsdozenten ernannt wurde. 1976 erhielt er einen Ruf auf eine Professur für Romanistik (Literaturwissenschaft) an der Bergischen Universität Wuppertal. Hier lehrte er schwerpunktmäßig französische, aber auch spanische und bisweilen italienische Literaturgeschichte.
Internationale Anerkennung fanden seine Forschungen und Publikationen zur französischen Literatur des späten Mittelalters, insbesondere zu François Villon, dessen Werk Gert Pinkernell praktisch sein ganzes Forscherleben lang begleitete und zu dem er eine Reihe auch in Frankreich viel beachteter Studien – Monographien wie Artikel – publiziert hat. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Gert Pinkernell einer der großen Villon-Spezialisten der letzten Jahrzehnte war, der neue und maßgebliche Akzente in der Forschung zu Villon, aber auch zu Autoren im weiteren Kontext des späten Mittelalters gesetzt hat. Darüber hinaus vertrat Prof. Pinkernell in Forschung wie Lehre besonders intensiv den französischen Roman des 18. Jahrhunderts sowie das französische Theater der 1930er bis 1950er Jahre, zu dem er eine Reihe von Studien vorgelegt hat. Schließlich ist als weiterer Schwerpunkt, dies aber vor allem in der Zeit nach seiner Emeritierung, die Beschäftigung mit deutschen Übertragungen französischer Lyrik zu nennen, wobei hier Paul Zech eine zentrale Rolle spielte. Einen guten und exemplarischen Eindruck von der philologisch minutiösen Arbeitsweise Gert Pinkernells, die biographische Aspekte wie politisch-soziale Kontexte des Werkes gleichermaßen berücksichtigt, erhält der Leser durch den Band Interpretationen (1997), der Studien zu verschiedenen Autoren und Texten aus mehreren Jahrhunderten versammelt. Im Jahr 2002 wurde Pinkernell emeritiert, vertrat jedoch seine Stelle noch bis 2003. Neben seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre amtierte er genau 25 Jahre als ständig wiedergewählter Vorsitzender des Promotions- und des Magisterprüfungsausschusses seines Fachbereichs. Nach dem endgültigen Abschluss seiner Lehr- und Prüfungstätigkeit im Jahr 2004 widmete Pinkernell sich seinem literarhistorischen Online-Nachschlagewerk Namen, Titel und Daten der französischen Literatur. Von der Fortsetzung seiner literarhistorischen Interessen zeugen nicht weniger als rund 100 Wikipedia-Einträge (Neufassungen oder Überarbeitungen) zu französischen Autoren. Aber er entdeckte nach der Emeritierung für sich auch andere, nichtwissenschaftliche Interessen wie das Boule-Spiel oder das Verfassen von scherzhaften Tiergedichten.
Prof. Pinkernell hat das Gesicht der Wuppertaler Romanistik über 4 Jahrzehnte entscheidend geprägt. Er hat den Aufbau des Faches maßgeblich mitgestaltet, für Kontinuität nach innen wie außen gesorgt, die Internationalisierung des Faches eingeleitet (insbesondere die Austauschbeziehung mit der Université de Saint-Etienne, an der er auch zwischenzeitlich eine Gastprofessur hatte). Nicht zuletzt hat er die Romanistik noch im Übergang von den alten Studiengängen (Magister und Lehramt nach LPO) in die neuen konsekutiven und modularisierten Strukturen von Bachelor und Master verantwortlich begleitet. Gert Pinkernell war stets der ruhende Pol des Faches, immer auf Ausgleich und konstruktive Lösungen bedacht und deswegen von allen Kolleginnen und Kollegen im Fach wie im Fachbereich als Gesprächspartner sehr geschätzt. Dies gilt im Übrigen nicht minder für die zahlreichen Generationen von Romanistik-Studierenden, die er ausgebildet hat, die bei ihm Examina abgelegt, Magister- und Staatsexamensarbeiten geschrieben oder auch promoviert bzw. sich habilitiert haben. Für alle war Gert Pinkernell immer ein zuverlässiger Betreuer. Als den Menschen zugewandter Mentor nahm er jeden einzelnen Studierenden ernst und wusste das Interesse an Literatur und Literaturwissenschaft zu wecken.
Gert Pinkernell blickte in den letzten Lebensjahren in Frieden zurück auf ein erfülltes und gelungenes Lebenswerk, das er neben seiner Familie seinen Forschungen und der Romanistik gewidmet hat.
Die Romanistik verliert mit ihm einen vielseitigen Gelehrten, der fachliche Exzellenz ganz selbstverständlich mit großer Bescheidenheit verbunden hat. Gert Pinkernell war, das muss in dieser Schlichtheit gesagt werden, ein gütiger Mensch, dessen Richtschnur im Leben immer gesunder Menschenverstand, Respekt vor dem anderen und Toleranz gegenüber anderen Meinungen war.
Die Wuppertaler Romanistik wird mit allen Kolleginnen und Kollegen sowie akademischen Schülerinnen und Schülern Herrn Prof. Dr. Pinkernell ein ehrendes und dankbares Andenken bewahren.
Stephan Nowotnick, Bergische Universität Wuppertal
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